Verfassungsrechte für die Natur
In Ecuador hat die Natur den verfassungsmäßigen Status einer Rechtsperson. Diese Idee steht auch auf der Agenda des Ende April in Bolivien anberaumten Klimagipfels. Sie manifestiert das gestiegene Sebstbewußtsein indigener Völker und den Versuch eines Gegenentwurfs zum destruktiven, auf ungehemmten Konsum und Profit ausgerichteten westlichen Ökonomie- und Zivilisationskonzept.
Die Verfassung Ecuadors, seit Oktober 2008 in Kraft, wurde per Wählervotum ab 2007 von einer verfassungsgebenden Versammlung erarbeitet und später in einem Volksentscheid angenommen. Sie sichert unter anderem, erstmalig in der modernen Geschichte, der Natur grundlegende und unveräußerliche Rechte zu. Dazu gehören das Recht auf Existenz, Fortbestehen und "Regeneration der Lebenszyklen und Evolutionsprozesse".
Der damit verbundene Paradigmenwechsel kann durchaus als revolutionär bezeichnet werden: Die Natur ist demnach kein Objekt mehr, das man besitzen und ausbeuten kann, sondern eine Art Rechtsperson, ausgestattet mit paritätischen Rechten ähnlich denen natürlicher und juristischer Personen. Die Präambel der Verfassung nimmt ausdrücklich Bezug auf "la Pacha Mama", die "Nährende Mutter (Erde)".
In einer Zeit, in der anderswo Konzerne den Status und die Rechte juristischer Personen erhalten und einklagen, muß dies als 180-Grad-Wende angesehen werden, die unweigerlich auch zu Konflikten führen wird. Denn wie überall, geht es auch in Ecuador um den Zugriff auf Ressourcen. Folgerichtig wird diese Komponente der Ecuadorianischen Verfassung von den westlichen Medien ignoriert oder ins Lächerliche gezogen. Das "Project Censored" aus den USA listet das Thema auf Platz 18 der aktuell meistzensierten Nachrichten.
Die Vorstellung von Natur als gleichberechtigter (oder gar übergeordneter) Wesenseinheit, mit der die Menschen untrennbar in einem "Pakt des Lebens" verbunden sind, spiegelt vor allem die Sichtweise indigener Völker wider – eine Sichtweise, die unserer Zivilisation, welche auf einer äußerst verengten Vorstellung von Ökonomie und "Herrschaft über die Natur" basiert, seit langem abhanden gekommen scheint. Sie greift somit direkt die Grundlagen jenes Wirtschaftssystems an, dessen Wildwuchs uns die Apologeten des Neoliberalismus als – ausgerechnet – Naturgesetzmäßigkeit zu verkaufen versuchen.
Nach dem Scheitern des Klimagipfels von Kopenhagen gab Boliviens indigener Präsident Evo Morales bekannt, daß sein Land Ende April einen alternativen Klimagipfel ausrichten wird. Dazu lud er Umweltgruppen, soziale Bewegungen, Wissenschafter, Vertreter indigener Völker und "kooperationswilliger" Regierungen aus der ganzen Welt ein. Ein Thema dieses Gipfels wird die Neubewertung des Status und der universellen Rechte von "Mutter Erde" sein.
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